Veröffentlicht am:
12.10.2025

Der Girls'Day und Boys'Day bietet Mädchen und Jungen ab der fünften Klasse einmal jährlich Einblicke in Berufe, in denen Frauen oder Männer unterrepräsentiert sind.
Mit bundesweit mehr als 23.000 Angeboten und insgesamt mehr als 175.000 Plätzen für Schülerinnen und Schüler verzeichnen der Girls'Day und Boys'Day in diesem Jahr einen Rekord. Der Aktionstag unterstützt den Wunsch von Kindern und Jugendlichen nach früher beruflicher Orientierung und soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
2001 fand der erste Girls'Day – Mädchen-Zukunftstag in Deutschland statt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Initiative D21 starteten gemeinsam diese bundesweite Aktion. Von Beginn an wurde sie vom Kompetenzzentrum Technik-Diversitiy-Chancengleichheit e.V. koordiniert.
Junge Menschen, die sich nicht (ausschließlich) mit dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht identifizieren, können sich ganz individuell für einen Berufsbereich des Girls'Day oder Boys'Day entscheiden.
Erste Anstöße zum Girls'Day kamen aus Frauen-Technik-Netzwerken, die sich ein Beispiel am US-amerikanischen "Take Our Daughters To Work Day" nahmen. Seit 1993 besuchen Schülerinnen an diesem Tag den Arbeitsplatz ihrer Eltern oder Bekannten. Einzelne Firmen in Deutschland führten bereits einen solchen Tag nach dem amerikanischen Modell durch (Lucent Technologies, DESY u.a.) und sammelten erste gute Erfahrungen. Die Zeitschrift EMMA unterstützte das Konzept; ebenso wurde der Hamburger Töchtertag nach diesem Vorbild im Jahr 2001 initiiert.
Am Girls'Day können Mädchen Berufe oder Studienfächer kennenlernen, in denen der Frauenanteil unter 40 Prozent liegt, z. B. in den Bereichen IT, Handwerk, Naturwissenschaften und Technik. Oder sie begegnen weiblichen Vorbildern in Führungspositionen aus Wirtschaft und Politik.
Der Girls'Day richtet sich speziell an Mädchen. Für Jungen gibt es den seit 2011 eingeführten Boys'Day. Geschlechtergetrennte Angebote sollen den Mädchen eine unbefangene Herangehensweise an Technik und IT ermöglichen. Sie haben "unter sich" weniger Berührungsängste und trauen sich mehr zu. Gerade in der Berufsorientierung in Bereichen, die üblicherweise keinen hohen Frauenanteil haben, hat sich diese Veranstaltungsform wohl bewährt.
Mädchen haben im Schnitt die besseren Schulabschlüsse und Noten. Trotzdem wählt mehr als die Hälfte der Mädchen aus nur zehn verschiedenen Ausbildungsberufen im dualen System – kein einziger naturwissenschaftlich-technischer ist darunter. In Studiengängen, wie z.B. in Ingenieurwissenschaften oder Informatik, sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Damit schöpfen sie ihre Berufsmöglichkeiten nicht voll aus; den Betrieben aber fehlt gerade in technischen und techniknahen Bereichen zunehmend qualifizierter Nachwuchs.
Doch ist der Girls'Day in einer Zeit, in der traditionelle Geschlechterrollen eigentlich gar keine große Rolle mehr spielen sollten, noch zeitgemäß?
Zum einen wird argumentiert, dass es immer noch nicht selbstverständlich ist, dass bestimmte Berufe auch von Mädchen ausgeübt werden können. So sei es weiterhin wichtig, durch den Girls'Day Aufmerksamkeit und Aufklärung für Ausbildungsberufe zu schaffen.
Durch die Einführung des Boys’Days, an dem die Jungs für „Frauenberufe“ begeistert werden sollen, kam die Kritik auf, dass dadurch die Jungs an schlecht bezahlte Jobs im sozialen Bereich herangeführt werden und so ein Aktionstag weniger nachhaltig wäre. Man sollte eher nicht in geschlechtsspezifischen Kategorien denken, sondern den Schwerpunkt darauflegen, individuelle Interessen und Talente fördern, unabhängig vom Geschlecht.
Dies unterstreicht der Münchner Entwicklungspsychologe und Frühpädagoge Hartmut Kasten mit seiner skeptischen Aussage: "Ich halte von diesen Aktionstagen gar nichts. Die rauschen vorbei und sind weg." Stattdessen sollten Eltern, Kitas und Schulen mehr gegen verstaubte Rollenklischees tun. "Wir müssen gegensteuern, wann immer es um Geschlechterstereotypen geht", sagt Kasten. "Ich freue mich immer, wenn ich in einen Kindergarten komme und es nicht die Bauklotzecke für die Jungs und die Puppenküchenecke für die Mädchen gibt."
Forscherin Sieverding kritisiert die deutsche Gleichstellungspolitik als insgesamt sehr widersprüchlich: Einerseits würden "Alibiveranstaltungen" wie Boys'- und Girls'Day finanziert, andererseits gebe es "jede Menge falsche Anreize für Frauen, den erlernten Beruf später nicht auszuüben". Ehegattensplitting, Mini-Jobs, dreijähriger Erziehungsurlaub oder Betreuungsgeld - "das sollte man alles abschaffen", sagt Sieverding. Und überhaupt: Dass Mädchen in der Schule naturwissenschaftliche Fächer abwählen dürfen, müsse auch gestoppt werden.
Insgesamt bleibt der Girls’Day ein kontrovers diskutiertes Thema. Die Meinungen darüber, ob er noch zeitgemäß ist, sind vielfältig. Letztendlich hängt die Bewertung davon ab, welche Perspektive man einnimmt.
Als Mutter einer Tochter, die schon zum 2. Mal am Girls’Day nach Hause kam, kann ich aber sehr wohl positiv darüber berichten: Jeder Einblick in das wirkliche Berufsleben bietet immer eine Möglichkeit über den eigenen Tellerrand schauen zu dürfen und seinen Horizont zu erweitern und dies egal ob Männlein oder Weiblein.
Eure Gesa vom Women’s Empowerment e.V.